Montag, 1. Dezember 2008

Belästigung beginnt bereits bei Kompliment und Griff aufs Knie

OGH: Schutz vor sexueller Belästigung schon bei Jobanbahnung

Der OGH stellte klar: Auch im Vorfeld eines Arbeitsverhältnisses ist sexuelle Belästigung strafbar. Bis zu diesem Urteil hatte eine Betroffene viel zu ertragen.

Zwei Jahre Arbeitslosigkeit hatten die alleinerziehende Mutter wirtschaftlich ziemlich unter Druck gebracht. Endlich sagte ihr der Chef einer Modekette mündlich die stellvertretende Leitung einer neuen Filiale zu. Vorab sollte Frau S. in Slowenien eine dortige Filiale besichtigen und das Warenangebot kennenlernen. Auf dieser gemeinsamen Reise näherte sich ihr der Geschäftsführer auf eindeutige Weise. Ihre Ablehnung ignorierte er. Dann wurde Frau S. dazu angehalten denselben Slowenischkurs zu besuchen wie ihr künftiger Vorgesetzter. Aus Kostengründen akzeptierte die Frau, gemeinsam im Auto des Geschäftsführers dorthin zu fahren.

Kein Job. Diese Fahrten nutze er für weitere Annäherungen, Bemerkungen über ihre Figur und Schilderungen aus seinem Intimleben. „Nach der langen Zeit der Arbeitslosigkeit wollte die Betroffene ihren zukünftigen Chef nicht brüskieren und beschwerte sich nicht über ihn“, berichtet AK-Frauenreferentin Mag. Bettina Schrittwieser. Schließlich wurde der Vertrag unterschrieben. Als Frau S. bei ihrer ablehnenden Haltung blieb, wurde das Arbeitsverhältnis während der Probezeit gelöst. Beim Abschied gab der Belästiger mehr oder weniger offen das Motiv für den Rausschmiss zu.

OGH. Trotzdem musste die Betroffene vor Gericht – mit Rechtsschutz durch die AK – durch drei Instanzen gehen, um zu einem Schadenersatz zu kommen. Der Arbeitgeber argumentierte nämlich, die Frau sei bei den Vorfällen ja noch in keinem Arbeitsverhältnis gestanden.

Rechtslage. „Der Oberste Gerichtshof hat letztlich klargestellt, dass sich der Schutz vor sexueller Belästigung auf alle im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Situationen bezieht, inklusive jener im Vorfeld“, erklärt die AK-Frauenreferentin. „Auch vordergründig Harmloses wie vorgebliche Komplimente über die gute Figur oder eine Berührung am Knie wird als Teil der Belästigung gewertet.“ In dritter Instanz bekam Frau S. recht und 1.545 Euro Schadensersatz für die psychischen Verletzungen zugesprochen. „Inzwischen hat sich die Rechtslage weiter verbessert“, betont Schrittwieser. „Seit Anfang August können sexuell belästigte Frauen auf Weiterbeschäftigung klagen oder einen Anspruch auf Ersatz des Verdienstentgangs und eine Entschädigung für die durch den Jobverslust erlittene persönliche Beeinträchti8gung geltend machen.“

(Zeitung der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Steiermark Nr. 7/November 2008, Seite 10.)